LebensMittelPunkt Flughafen Tempelhof?

Zwei Workshops zur Ernährungswende

17.12.2018

Im ehemaligen Tempelhofer Flughafen gibt es im Gebäudeteil K2 fünf nebeneinanderliegende Küchen in unterschiedlicher Größe – alle mit Tageslicht. Dahinter befinden sich Kantinenräume mit Zugang zu einem grünen Innenhof sowie eine große Kapelle. Früher wurden diese Räume von den US-Behörden in Berlin genutzt, danach zeitweise von der Modemesse Bread & Butter. Seit einigen Jahren stehen sie leer.

Am 17.12.2018 kamen im Flughafengebäude viele engagierte Menschen zusammen, um sich in Workshops auszutauschen und um sich zu einer möglichen Ernährungswende Gedanken zu machen.
Während sich die Bürgerinitiative THF.VISION mit einem Team aus Experten in der Zollgarage 8 Stunden lang den Kopf über mögliche zukunftsfähige Konzepte zerbrach, fand sich das zweite Team in einem Doppeldeckerbus der Linie 94 gemeinsam mit der Initiative RESTLOS GLÜCKLICH zum Kochen aus geretteten Lebensmitteln zusammen. Zwischendurch wurden die alten Flughafenküchen besichtigt und am Ende kamen beide Teams zum Essen und Vernetzen zusammen und haben gemeinsam Ergebnisse und Erfahrungen zusammengetragen.

RESTLOS GLÜCKLICH e.V. hat das Ziel, Lebensmittel wieder mehr wertzuschätzen. Sie kochen mit überschüssigen Lebensmitteln und zaubern daraus kreative und leckere Gerichte. Mit ihren Projekten möchten sie Menschen dazu bewegen, bewusster zu konsumieren und mehr zu verwerten. Dazu bieten sie Kochkurse und Bildungsprojekte für Kinder und Erwachsene an.

Das Team der Linie 94 hat es sich zur Aufgabe gemacht, der Bildung von Parallelgesellschaften entgegenzuwirken und Filterblasen jeder Art und Größe zum Platzen zu bringen.
Zum einen widmen sie sich der heranwachsenden Generation. Sie fahren mit Berliner Schulklassen raus aufs Land, zu einem Recyclinghof oder in ein Architektenbüro. Auf diese Weise erweitern sie ganz allmählich den Horizont der Kinder und Jugendlichen und wecken ihr Verständnis für andere Lebenswelten.
Zum anderen widmen sie sich der Vernetzung von Erwachsenen. Mit ihren Touren und Begegnungs-Events verbinden sie Jung & Alt, Einheimische & Geflüchtete, Stadt & Land – und bringen so Menschen, die sich aus eigenem Antrieb wahrscheinlich nie begegnen würden, an einem neutralen Ort zusammen. Dabei liegen ihnen vor allem der Austausch untereinander und eine Begegnung auf Augenhöhe am Herzen.

THF.VISION engagiert sich seit eineinhalb Jahren dafür, das Tempelhofer Flughafengebäude zu einem Gemeingut zu machen. Ihr Ziel ist es, unter starker Beteiligung der Berliner Bevölkerung, zivilgesellschaftlicher Organisationen, gemeinwohlorientierter Betriebe sowie Forschungseinrichtungen einen Experimentier-, Forschungs- und Bildungsort zu schaffen, an dem eine enkeltaugliche urbane Versorgungs- und Lebensweise erprobt wird. Die Bürgerinitiative hat einen Gemeinwohlplan entwickelt, der sich an den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen orientiert.


THF.VISION äußert sich schon länger darüber, dass der Gebäudeteil K2 hervorragend geeignet wäre für den Ernährungshof im Sinne des Gemeinwohlplans. Essen und Ernährung sind Themen, die jede/n unmittelbar angehen und tief im Alltag aller Menschen verankert sind. Deshalb besteht hier die Möglichkeit, sehr niederschwellige Angebote im Sinne einer breiten Bürgerbeteiligung zu machen. Zugleich sind Ernährung und eine ressourcenschonende Versorgung der Stadt mit Lebensmitteln zentrale Themen, bei denen grundlegende Änderungen notwendig sind.


Dazu würde sicherlich die Einrichtung eines dezentralen Lebensmittelpunktes (LMP) im Sinne des Ernährungsrats gehören – ein Ort im Stadtteil, wo regionale Lebensmittel gehandelt, verarbeitet und gelagert werden und wo sich Menschen mit unterschiedlichen Herkünften begegnen. Hier hätten Kinder und Eltern die Möglichkeit, kochen zu lernen und zu erfahren, was sich aus Resten noch Köstliches herstellen lässt. Menschen unterschiedlicher Kulturen könnten leckere Mahlzeiten zubereiten und sich darüber austauschen. Darüber hinaus wäre es aber auch möglich, die fünf Küchen und die anliegenden Räume zum Zentrum für die Berliner Ernährungswende zu machen. Hier könnte auch Forschung darüber stattfinden, welche Voraussetzungen auf verschiedenen Ebenen notwendig sind, um die urbane Ernährungswende voranzutreiben – in Berlin, aber auch anderswo.

Bildung, Forschung und praktische Experimente könnten in unmittelbarer Nähe zueinander stattfinden und so auch theoretische Grundlagen schaffen, die als solide Basis für die notwendigen strukturellen Veränderungen nötig sind. Die Ernährungswende könnte so konkret vorangetrieben und breit getragen werden. Das alles würde mit Sicherheit weit über Berlin hinaus ausstrahlen und eine historische Antwort auf die Carepakete zur Zeit der Luftbrücke versinnbildlichen.

Fotos: Rolf Schulten

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