04.12.2018
In einem Punkt sind sich alle Beteiligten, die an der Entwicklung des Flughafens Tempelhof mitarbeiten, einig:
Es muss eine bessere Vernetzung aller Gremien und Akteure geben!
Um in dieser Sache einen Schritt vorwärts zu kommen, trafen sich heute das Arbeitsgremium, der Beirat, Tempelhof Projekt GmbH und Michael Schindhelm zu einer gemeinsamen Sitzung. Ziel war es, einen gemeinsamen Stand zu haben, wer woran arbeitet, welche Ergebnisse es bereits gibt und wer welche Ziele verfolgt.
Michael Schindhelm stellte auch heute nochmals kurz seine Arbeit der vergangenen Monate und sein erarbeitetes Konzept vor.
Im Folgenden ein paar Auszüge von Michael Schindhelms Gedanken:
- Die Genetik des Ortes ist ein Flughafen und die sollte man möglichst erhalten und immer im Kopf behalten. Ein gewisser Respekt dem ursprünglichen Gebäude gegenüber sollte immer vorhanden bleiben.
- Der Flughafen Tempelhof wurde bisher oft als Problem gesehen (auch der Bund hatte sich in der Vergangenheit aus der Unterstützung zurückgezogen), dabei hätte er das Potential, Wahrzeichen von Berlin zu werden. Einen Fernsehturm oder einen Reichstag haben auch andere Städte. Berlin hat mit dem Flughafen das größte denkmalgeschützte Gebäude Europas und könnte daraus so viel machen!
- Man muss sich über den Kulturbegriff einigen. Kultur ist keine Parallelwelt für Museen, wir brauchen einen Kulturbegriff, der viel offener ist.
- Das Gebäude wird immer ein “work in progress” sein und der gesamte Entwicklungsprozess muss eine Offenheit haben, um Veränderung, Improvisation, Flexibilität zuzulassen.
- Vielfalt ist entscheidend bei der Bespielung des Gebäudes. Es wird niemals nur einen Entscheider geben können, sondern viele Akteure müssen gemeinsam ein Betriebssystem erarbeiten und ausprobieren.
- Es braucht eine Mischung aus geplantem und ungeplantem, freiem, experimentellem Programm. Michael Schindhelms Erfahrung in Partizipationsprozessen ist, dass alle Ebenen sehr stark miteinander verzahnt sein müssen und miteinander arbeiten müssen.
- Entscheidend ist, das “Tor” zwischen Stadt und Gebäude zu öffnen, damit es einladend wirkt und Anwohner und Touristen zukünftig nicht mehr unsicher sind, ob sie hier überhaupt sein dürfen. Der Ehrenhof, mit seiner abweisenden und kalten Atmosphäre, wirkt nicht gerade einladend.
- Es reicht nicht, die Geschichte der Vergangenheit zu erzählen. Man muss auch Geschichten von der Zukunft erzählen und kann dadurch ebenfalls auf die Vergangenheit neugierig machen.
- Es muss eine Regelmäßigkeit von Veranstaltungen her und das Gebäude muss viel stärker in die Stadt hineingetragen werden.
Nach der kurzen Präsentation ergänzte der Beirat, was ihm bei der Entwicklung des Flughafens wichtig ist:
- Der Flughafen Tempelhof ist eher als eine kleine Stadt oder als ein Stadtquartier zu sehen, weniger als ein Gebäude.
- Es muss ein Ort der Diversität sein, schon aufgrund der Größe des Gebäudes. Die Bespielung darf nicht monothematisch sein, Kunst und Kultur sind nur ein Teil, Experimentelles ein anderer Teil und wie bei einem Stadtquartier gehören noch viele weitere Bereiche des Lebens dazu, die ebenfalls in die Definition KULTUR gehören.
- Es gibt drei Zeitstränge und unterschiedliche Geschwindigkeiten bei der Entwicklung des Ortes. Aktuell muss der Ort schnellstmöglich geöffnet werden, um ihn überhaupt erstmal wieder in die Köpfe der Menschen zu bringen.
- Die Möglichkeit, einen experimentellen Ort zu schaffen mit ganz eigenen Regeln, in welchem man ein zukunftsfähiges Zusammenleben der Gemeinschaft neu denken und ausprobieren kann, sollte man durchaus in Betracht ziehen und mit der Öffentlichkeit und der Politik diskutieren (z.B. eine eigene kleine Stadt oder ein Quartier mit ganz eigenen Verwaltungsregeln), selbst wenn es realpolitisch erstmal unmöglich erscheint.
Und auch das Arbeitsgremium stellt seine bisherige Arbeit vor. Die Themen, die Formate und das Ziel, gemeinsam mit den Bürgern Leitlinien zu entwickeln.
Die Arbeit des Gremiums trifft jedoch auf Grenzen und Herausforderungen. So findet immernoch sehr wenig Öffentlichkeitsarbeit und Beteiligung statt und das Geld, welches dem Gremium für Formate zur Verfügung steht, ist mit 80.000 € recht wenig. Eines der geplanten Formate soll ein Wissensspeicher werden, in dem alle wichtigen Informationen, Räume und Raumgrößen, Zustände, Pläne usw. gespeichert und für jeden einsehbar sind. Mehr als ein Viertel des Geldes wird dafür bereits benötigt. Die restlichen Formate werden vorraussichtlich Veranstaltungen, um gemeinsam mit den Bürgern Themen zu diskutieren und Leitlinien zu erarbeiten.
Die Senatsbaudirektorin Regula Lüscher stellte fest, dass es extrem viele Überschneidungspunkte aller Akteure und Gremien gibt und dass im Grunde alle an den selben Zielen arbeiten. Jetzt gilt es diese gemeinsam zu entwickeln und nicht nur zu diskutieren, sondern auch in der Praxis zu erproben.
Die Initiative Thf.Vision und die gemeinnützige Organisation Mehrwertvoll e.V. haben vorgeschlagen, einen “Summer of Participation” zu veranstalten, um das Thema Bürgerbeteiligung aktiver und sichtbarer umzusetzen.
Einen ganzen Sommer lang wollen sie Kunst, Kultur, Spiel, Sport, Familienprogramm, Begrünungsaktionen oder Themenabende aufs Gelände des Flughafens bringen und möglichst viele Menschen und Zielgruppen beteiligen, umgesetzt durch ein Netzwerk vieler verschiedener Initiativen. Es soll eine Verbindung aus gelebter Bürgerbeteiligung und Öffnung sein, ein Kooperationsprojekt, welches ein in der Zukunft mögliches Betriebssystem des Flughafens in der Praxis ausprobiert. Wenn man die Räume noch nicht öffnen kann, dann vielleicht aber Höfe, Wiesen, Unterführungen und das gesamte Gelände um das Gebäude herum.
Die Idee eines solchen Sommers als Kooperationsprojekt aller Akteure traf im Arbeitsgremium, im Beirat und auch bei Herrn Schindhelm auf positive Resonanz, denn es würde bedeuten, dass über Monate regelmäßig Veranstaltungen und Aktionen an diesem Ort stattfinden würden und dass das Gebäude dadurch für die Stadtgesellschaft wieder sichtbar und interessant werden würde.
Jedoch lässt sich das Projekt nicht über die Gelder, die dem Arbeitsgremium und der Agentur Die Raumplaner für die Partizipation zur Verfügung stehen, finanzieren. Andere Wege müssen gefunden werden, wenn das Projekt zeitnah umgesetzt werden soll.