Entwicklung ist so schwer. Das weiß jeder, der irgendwie Prozesse entwickelt oder sich für Dinge mit Leidenschaft und ganz viel Herz einsetzt. Können die Dinge nicht einfach mal leichter sein?
Nein, können sie nicht. Wir können nur versuchen, unser Bestes zu geben, jeden Tag reflektieren, was besser laufen könnte und wir können versuchen, nicht so ungeduldig zu sein. Die kleinen Schritte sind oft wichtiger, als die großen, weil man viel mehr Spuren hinterlässt, selbst wenn man sie selbst nicht immer sehen kann.
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Tag 2 beim Torhausfest lief nicht ganz optimal an. Erster Hilferuf: Die Kaffeemaschine ist kaputt. Und das auf einen Sonntag, an dem sich nicht so leicht eine Neue besorgen lässt. Nach so wenig Schlaf kein Kaffee? Kein guter Start.
Das Team beginnt mit einer kleinen Analyse-Runde. Tag 1 lief eigentlich super. Viele Menschen waren da. Aber das Team ist genervt, kraftlos, übermüdet. Eine bessere Struktur muss her. Auch in einem Team auf Augenhöhe scheinen Strukturen mit festen Teamleitern notwendig zu sein, damit nicht ein paar Wenige alles übernehmen müssen. Und wer waren die Gäste am Tag 1 eigentlich? Es waren überwiegend Freunde, die kamen, weil sie neugierig waren und mal vorbeischauen wollten. Wahrscheinlich werden die aber nicht täglich nach Tempelhof kommen und es stellt sich die Frage, wie man genau die Menschen anziehen kann, die diesen Ort mitentwickeln wollen.
Diese Aufgabe ist nicht in drei Wochen Torhausfestival zu lösen. Das Torhausfestival ist ein Auftakt, um die bestehenden Herausforderungen zu analysieren und in der Praxis zu erproben, wo im Moment die Grenzen des Ortes sind.
Mittags beginnt die Entwicklung der AUGENHÖHE. Die Künstlerin Katrin Hahner macht sich mit einer Gruppe junger Menschen im Schatten eines Baumes Gedanken, was Demokratie eigentlich bedeutet und wie man das optisch umsetzen kann. Was braucht es, um miteinander auf Augenhöhe zu sprechen? Wann sind Menschen einander gleich? Im Dunkeln, wenn man einander beim Sprechen nicht sieht und keine Angst haben muss, das Gesicht zu verlieren? Oder vielleicht, wenn man in einen kindlichen Zustand zurückversetzt wird, der allen Beteiligten gleich peinlich ist oder gleich viel Spaß oder Angst macht? Das Ergebnis des Workshops ist nicht, wie erwartet, EINE Augenhöhe, sondern eine Konstellation aus DREI Elementen für jeweils zwei Gesprächspartner. Liegend, Sitzend, Stehend – und jedes Gesprächsteam kann sich das Element raussuchen, welches sich für das Gespräch am angenehmsten anfühlt.
Da die inhaltliche Entwicklung mehr Zeit beansprucht hat, als geplant, werden die Elemente nun in den nächsten Tagen in der Fliegerwerkstatt gemeinsam mit Jugendlichen gebaut. Im Anschluss können sie den ganzen Sommer über hier am Flughafen genutzt werden, um bei wichtigen Themen häufiger auf Augenhöhe miteinander zu sprechen.
Trinkwasser! Es gibt Trinkwasser im Torhaus! Welch ein riesen Schritt nach vorn.
Und auch heute wird wieder selbst gekocht und es gibt ein Denkmahl unter freiem Himmel. Während des Essens stellt eine Gruppe junger Menschen mit dem Namen SOLIDARITREE ihre Erfahrungen im Hambacher Forst vor. Unter dem Motto HAMBI WAR ERST DER ANFANG berichten sie von Selbstorganisationsstrukturen und Wirtschaftsweisen der Bewohner*innen des Hambacher Waldes.
Während die Runde auf der Wiese vor dem Torhaus dem jungen Erzähler lauscht, schaue ich mich um. Es sind vielleicht noch 30 oder 40 interessierte Menschen da. Das ist nicht viel, aber es ist der Anfang. Und alle Menschen, die in die Tanzschule Traumtänzer wollen, bleiben stehen und schauen mal kurz. Sie sind neugierig, denn auf der Wiese sieht es gemütlich aus. Der ehemalige Club der US Army, das Silverwings, hat ebenfalls zur Grill-Runde geladen und eine Meute Kinder jagen über die Wiese vor dem gigantischen Koloss.
Zwischendrin liegen Menschen im Schatten unter den Bäumen. Ein lebendiges und gleichzeitig friedliches Gefühl, ähnlich wie auf dem Feld.
Noch vor wenigen Wochen war hier kein Leben möglich. Und eigentlich ist genau das, was hier jetzt passiert, bereits die schönste Entwicklung überhaupt! Langsam, achtsam und liebevoll nutzen die Menschen den Raum um das Gebäude herum und niemand überrumpelt und überfordert den Ort und die Verwaltung. Es bleibt kein Müll liegen. Es wird nichts zerstört oder zertrampelt. Es werden Regeln eingehalten und ab und zu mal versucht, sie in kleinen Schritten zu öffnen.
Wichtig ist, dass das Torhaus langfristig bleibt. Veranstaltungen kommen und gehen. Aber das Torhaus mit all den Menschen und Initiativen, die hier ein- und ausgehen, ist tatsächlich ein Tor in eine lebendige Zukuft des Möglichmachens.
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